Kenntnisstand vor dem Lesen dieses Buches: Viele Jahre Erfahrung an der Gitarre, Akkorde und ein paar Skalen laufen flüssig, ich weiß dass Quinten und Quarten gut klingen und Septimen eher weniger. Aber was passiert da eigentlich musiktheoretisch, wenn ich $Lied spiele? Was meinen gitarrenspielende Menschen wenn sie von I-IV-V reden? Was hat es mit diesem diminished chords auf sich? Solche Fragen haben mich bewogen, dieses Buch zu kaufen. Ich wollte ein Buch, das mir alles einfach und anwendbar erklärt. Es gab noch keine Rezensionen dazu, weil es sehr neu war, aber ich habe einfach mal mein Glück probiert.
Mich hat das Buch schon auf den ersten 20 Seiten mehrmals überfordert. Zu umständlich erklärt, zuviel Blabla, zu große Sprünge. Fachbegriffe werden eingestreut, ohne sie zu erklären. Ganze Absätze habe ich ausgeblendet. Die Einstreuungen, warum man jetzt $Schreibweise verwendet und keine andere, hätte am besten in eine Fußnote gepasst. Deren Erfindung ist an den Machern offenbar vorbeigegangen. Es wird sich auch nicht an musikalische Konventionen gehalten (warum bitte "Terzentürmchen", wenn man auch von Triaden sprechen kann?) Die Autoren müssen sehr, sehr vieles überarbeiten, wenn sie wollen, dass ihnen auch in zukünftigen Auflagen Menschen ohne Einführung in die Musikwissenschaften noch folgen können. Ich frage mich, ob das Buch überhaupt lektoriert worden ist - es gibt grobe sprachliche Fehler, wie die groß geschriebene Ansprache der Leser*innen (nicht gesiezt, sondern als "Ihr" - ich habe mich noch nie so erlaucht gefühlt.)
Das ist schade, denn die Autoren sind gewiss in ihrem Fachgebiet sehr kompetent. Aber sie schaffen es nicht, das Wissen plausibel zu vermitteln, indem sie sich aufs sprachliche Niveau von Laienmusiker*innen herabbegeben und sie schonend mit Konzepten und Fachbegriffen vertraut machen. Einer der Autoren ist Hochschuldozent und genauso liest sich das Buch: Wie ein Vorlesungsskript. In Sachen Lehrmethoden ist das Buch ein kompletter Reinfall. Es strotzt auch vor unnützem Wissen: Was bringt mir das jetzt, zu wissen, was ein "Plagalschluss" ist? Die Sprache ist dicht und akademisch und definitiv kein "easy reading". Nach drei Seiten qualmt einem der Kopf.
Ich habe die Basics der Harmonielehre dann woanders gelernt (es gibt da ein sehr gutes Video von Andrew Huang) und lese es mit diesem Wissen weiter. Es scheint ein Buch zum Ausprobieren und mitmachen zu sein und das ist etwas Gutes, wenn es denn nachvollziehbar ist. Ich werde mich weiter durchkämpfen, rechne aber damit, dass das Buch mich noch einige Male "verlieren" wird und ich die Antworten auf meine Fragen woanders suchen muss. Der Wunsch, alles Wesentliche aus diesem Buch lernen zu können, hat sich jedenfalls nicht erfüllt.
Als Einstieg für Leute, die bisher eher wenig Berührungspunkte mit Musiktheorie hatten und hoffen, mit diesem Buch einen Zugang zu finden, kann ich es nicht empfehlen. Für Menschen, die schon mehr Berührungspunkte mit Musiktheorie hatten und jetzt eine Anwendung dafür auf der Gitarre suchen, ist es möglicherweise besser geeignet.
