6. Weiterte technische Angaben bei Endstufen für Profis

Klirrfaktor

Immer wenn wir in der Mathematik von einem Faktor sprechen, dann dreht es sich um eine einheitenlose Verhältniszahl, welche entweder als Dezimalzahl oder in Prozent angegeben wird, soweit so gut. Außerdem brauchen wir natürlich zumindest zwei Werte einer physikalischen Größe, die dann eben in ein Verhältnis gesetzt werden.

Ein Beispiel:

Unser Tag hat 24 Stunden. Unser Arbeitstag soll 8 Stunden haben. (Höre ich da Proteste?) Setzen wir das in ein Verhältnis, so erhalten wir einen Arbeitsfaktor bezogen auf die 24 Stunden von genau 1/3 oder 33,3... %.

Bei dem Klirrfaktor oder THD (engl. total harmonic distortion) handelt es sich nun um Verzerrungen, die das ursprüngliche sinuswellenförmige Signal beeinflussen.

Klirrfaktor
Klirrfaktor

Durch das nichtlineare Verhalten von verschiedenen Bauteilen (Transistoren, Dioden, Transformatoren usw.) in der Verstärkertechnik überlagern Oberschwingungen die Grundschwingung und erzeugen sogenannte nichtlineare Verzerrungen, die als unangenehme, höherfrequente Geräusche wahrgenommen werden. Bei der Konstruktion von Leistungsverstärkern muss ein Kompromiss zwischen Klirrfaktor und Schaltungsaufwand gefunden werden. Das menschliche Gehör empfindet Verzerrungen im Bassbereich bei einem Klirrfaktor bei 5% nicht als störend - im Hochtonbereich kann Klirr schon bei einem Klirrfaktor von 0,5% deutlich wahrgenommen werden.

Solche Bauteile können zum Beispiel:

  • Transistoren
  • Röhren (leider!)
  • Spulen und Transformatoren
  • Dioden
  • Kondensatoren usw. sein

Diese Bauteile haben einen nichtlinearen Verlauf ihrer Kennlinie und damit erhalten wir automatisch die oben genannten Verzerrungen. Diese haben wiederum zur Folge, dass sich Oberschwingungen ergeben, die in einem Verhältnis zu den Grundschwingungen stehen.

Rein mathematisch gelangt man über diese Formel zum Gesamtklirrfaktor:

Gesamtklirrfaktor
Gesamtklirrfaktor

Es werden hier die Effektivwerte der Oberschwingungen zum Gesamteffektivwert einschließlich Grundschwingungsanteil ins Verhältnis gesetzt (harmonisches Signal). Das ist schon recht aufwendig und muss uns auch nicht weiter interessieren, wir nehmen das jetzt mal so hin.

Wichtig ist nur, dass der Klirrfaktor immer kleiner oder gleich eins ist und auch in einer Klirrdämpfung in Dezibel angegeben werden kann:

Um den Dezibelwert für uns etwas umgänglicher zu machen, können wir uns festhalten:

  • Ein Wert von -40 dB entspricht einem Faktor von 1%
  • Ein Wert von -60 dB entspricht einem Faktor von 0,1 %

Und damit wären wir auch schon gleich bei guten oder gar nahezu nicht erreichbaren Werten. Unser Ohr kann, selbst wenn es geschult ist, einen Klirrfaktor von unter einem Prozent nur noch schwer wahrnehmen, es sei denn die Beschaffenheit des Nutzsignals ist sehr obertonarm und präsenzreich (z.B. Flöten).

Gänzlich an die Grenze zwischen Wahrnehmbarkeit und technischem Aufwand (Qualität der Bauteile, Schaltungen) sind wir dann mit 0,1 % angelangt. Eine Endstufe, die zuverlässig diesen Wert erreicht, ist als erstklassig einzustufen.

Dämpfungsfaktor

Allgemein betrachtet erhalten wir beim Dämpfungsfaktor ein Verhältnis, welches den Wert des Eingangswiderstands zum Ausgangswiderstand zweier Verstärker beschreibt. Für uns heißt das, dass die Impedanz der Box (=Eingangswiderstand) zur Ausgangsimpedanz der Endstufe (=Ausgangswiderstand) ins Verhältnis gesetzt wird:

Dämpfungsfaktor
Dämpfungsfaktor

Allerdings stellt, genauer betrachtet, der Dämpfungsfaktor das Verhältnis der Lautsprecherschwingspule zum übrigen gesamten Stromkreis dar. Dies sind nicht nur die Widerstände der Boxenkabel und der Innenwiderstand einer eventuell vorhandenen Frequenzweiche, sondern auch ungünstigerweise schlechte Übergangswiderstände von Anschlüssen. Somit kommen zu dem vergleichsweise sehr geringen Ausgangswiderstand der Endstufe im Milliohmbereich (zum Beispiel 0,04 Ohm oder 40 mOhm), schnell noch ein paar Milliohm dazu und verschlechtern somit unseren Dämpfungsfaktor!

Setzen wir den oben genannten Wert von 0,04 Ohm Ausgangsimpedanz zu einer Impedanz des Lautsprechers von 4 Ohm ins Verhältnis, erhalten wir den Faktor 100. Dieser stellt ein absolutes Muss dar, wenn sich diese Endstufe PA-Endstufe nennen will. Denn sonst wäre, anders herum betrachtet, die Strombelastbarkeit der Endstufe zu gering und es würde ein Teil der produzierten Ausgangsleistung in Wärme umgesetzt werden. Das ist natürlich nicht wünschenswert! Professionelle Endstufen ergötzen den Anwender hier und da mit Dämpfungsfaktoren in der Größenordnung bis 3000. Aus den oben geschilderten Gründen (Kabel, Übergänge, etc.), sind diese Werte jedoch eher theoretischer Natur.

Also: Je höher der Dämpfungsfaktor, umso besser ist die Leistungsübertragung.

Crest-Faktor

Übersetzt man das Wort crest aus dem Englischen ins Deutsche, dann erhält man laut Langenscheidts Schulwörterbuch Hahnen- oder Bergkamm. Aha, wird sich da einer denken, ist ja interessant, was hat der Hahn jetzt aber mit meiner Endstufe zu tun? Die Analogie besteht einfach darin, dass ein Hahnenkamm den höchsten Punkt des stolzen Tieres bildet und genauso wäre das für unsere Endstufe, zumindest elektrotechnisch gesehen, zum Beispiel der Maximalwert der Versorgungsspannung.

Dieser Wert liegt denn nun auch deutlich höher, als der in der Regel gemessene und nutzbare Effektivwert. Aus dem Verhältnis dieser Werte resultiert der Crest-Faktor, der sowohl für Wechselspannungen, wie Wechselströme berechnet werden kann. Für unser Beispiel der Netzspannung würde sich nun ergeben:

Crest-Faktor
Crest-Faktor

Bei einer reinen Sinusspannung ist dieser Faktor gleich der Quadratwurzel aus 2 = 1,41. Das bedeutet: Unsere Netzspannung von 230 V, hat damit den Spitzenwert von 325 V! Alle elektronischen Bauteile, die mit der Netzspannung arbeiten, müssen also kurzzeitig diesen Wert verkraften können.

Es wäre nun optimal, wenn sich an dem oben genannten Wert von 1,41 nichts verändern würde. Leider haben aber gerade Netzteile oder andere Geräte, wie Dimmer oder Thyristorsteller, im Teillastbetrieb einen höheren Faktor, der durch die impulsförmige Stromaufnahme schon mal auf 10 und mehr klettern kann!

Ein hoher Crest-Faktor verursacht Verzerrungs-Blindleistung (unnötiger Energieverlust) und damit wiederum Oberwellen im Stromnetz. Man ahnt schon, dass ist nicht gut, besser gesagt, es ist absolut unerwünscht. Also grundsätzlich: Je kleiner der Crest-Faktor, um so kleiner ist die Beeinflussung des Netzes.

Slew-Rate

Bei der Slew-Rate, zu deutsch Anstiegsrate, wird es jetzt richtig technisch. Auch hier, wie schon beim Crest-Faktor, haben wir es mit einem Verhältniswert zu tun.

Slew-Rate
Slew-Rate

Dieser definiert die Steilheit einer Signalflanke, die sich aus dem Anstieg einer Spannung über einer bestimmten Zeit (und damit Frequenz) ergibt. Das Signal legt also einen bestimmten Weg (Spannungsflanke) in einer bestimmten Zeit zurück. Wie war das noch? Weg pro Zeit ist doch... jawohl die Geschwindigkeit. Wir erhalten mit der Slew-Rate die maximale Anstiegs- oder Abfallgeschwindigkeit der Ausgangsspannung einer Verstärkerschaltung.

Nicht sehr einfach, ist aber leider so korrekt ausgedrückt. Betrachten wir uns doch dazu ein Schaubild, welches mit einem Oszilloskop-Programm aufgenommen wurde:

Deutlich zu sehen sind die zwei Kreuze auf den vertikalen Linien, die genau die Anstiegsflanke des Messsignals eingrenzen. Man erhält nun ein delta U über einem delta t und damit die Steilheit der Kurve.

In Datenblättern wird die Slew-Rate von Operationsverstärkern in Volt pro Mikrosekunde angegeben. Realistisch wären hierbei Werte von 5-300V/µs. Allgemein für Hifi-Verstärker werden Werte von 1 - 80V/µs erwähnt und bei Videoanwendungen gar extreme Werte von bis zu 6000V/µs.

Natürlich hat alles auch ein Ende oder eine Grenze und auch ein noch so guter Operationsverstärker kann ein sehr steilflankiges Signal irgendwann nicht mehr korrekt übertragen, das heißt, dass sich hier noch ein Wert dazu gesellt: Und zwar der Wert der Grenzfrequenz. Auch hier gilt, wie schon für die Slew-Rate: Je höher desto besser. Ein guter Wert wäre weit im Megahertz-Bereich angesiedelt. In Datenblättern von Endstufen können beide Werte auftauchen.

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