5. Historisches

Die Gitarre ist, wenn man alle Vorformen (allein der Name ist ja schon antik, kithara hieß ein griechisches Saiteninstrument) mit einbezieht, bereits recht alt. Die heute übliche "6-Saitige" ist allerdings ein vergleichsweise junges Instrument und hat als Band-/Orchesterinstrument noch keine lange Tradition.

Muse mit "Wiegenkithara", attische Lekythos, 440–430 v. Chr., Staatliche Antikensammlungen in München

So geht die heute allgemein als "Klassische Gitarre" bekannte 6-saitige Form (mit Nylon -, früher Darmsaiten) auf den spanischen Gitarrenbauer Antonio Torres (19. Jh.) zurück. Fast zur selben Zeit wanderte ein Sachse namens Christian Friedrich Martin in die Vereinigten Staaten aus und entwickelte dort die mit Stahlsaiten bestückte 6-saitige Gitarre.

Voraussetzung dafür war ein Korpus, der den höheren Saitenzug aushalten konnte. Er beeinflusste auch Orville Gibson, der das Bauprinzip der Violine (gewölbte Decke, nach hinten gewinkelte Kopfplatte) auf Gitarrenformen übertrug (eine Tradition, die dann letztendlich in der sehr violinenangelehnten Les-Paul-Form gipfelte) und mit seiner Gibson-Mandolin-Guitar-Company sehr erfolgreich wurde.

In den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts diente die Gitarre in Orchestern vor allem der rhythmischen Begleitung. Die Gitarristen hatten es sehr schwer, sich gegenüber den anderen, akustisch viel lauteren Instrumenten Gehör zu verschaffen. Kein Wunder also, dass Spielweise (Stichwort: Schlaggitarre) und Korpusgröße (auch das Prinzip der National/Dobro-Gitarre mit Metallkorpus diente früher vor allem der besseren Hörbarkeit) in erster Linie auf Lautstärke hin zielten. Nachdem es üblich wurde, Sängerinnen (die natürlich vor Orchestern auch kein leichtes Leben hatten), vor ein Röhrenmikrofon zu positionieren (der "Mix" wurde durch die Variation des Abstandes von Sänger und Orchester zum Mikro gemacht), war es nur noch eine Frage der Zeit, bis auch jemand ein Mikro vor die Gitarre stellen würde. Die ersten elektrisch verstärkten Gitarrensounds kamen also von akustischen Gitarren, die hierbei entstehenden Probleme auf lauteren Bühnen (Übersprechen, Rückkopplungen) sind ja hinlänglich bekannt. Abhilfe verschaffte hier der elektromagnetische Tonabnehmer (der natürlich nur mit Stahlsaiten funktionierte) und die Idee, auf den hohlen Korpus ganz zu verzichten, lag somit bereits in der Luft. So muten die ersten Versuche der reinen E-Gitarre (auch heute noch liebevoll "Brettgitarre" genannt) wirklich sehr spartanisch an, es handelte sich um Bretter, an denen Hals und Tonabnehmer einfach drauf montiert waren. Ein Texaner namens Beauchamp entwickelte den möglicherweise ersten E-Gitarren-Tonabnehmer, indem er den Tonabnehmer eines frühen Plattenspielers auseinanderbaute und anstelle der Nadel die Saiten ins Magnetfeld des Tonabnehmers führte. In der Folge baute er vermutlich als Erster eine Gitarre ganz ohne Hohlkorpus. Populär gemacht wurde das Spielen mit Tonabnehmer vom jungen farbigen Gitarristen Charlie Christian, dessen Gibson ES-150 zwar noch einen hohlen Korpus hatte, aber durch den Tonabnehmer den Virtuosen in die Lage versetzte, auch Soli spielen zu können, die bis dato im Orchestersound untergegangen wären. Berühmte Beispiele sind auch die "Bratpfanne", entwickelt von einem emigrierten Schweizer namens Rickenbacker (genau, die Amis konnten diesen Namen nicht aussprechen, sodass die Firma bis zum heutigen Tage Rickenbacker heißt) sowie der "Besenstiel".

Und schon sind wir bei den klingenden Namen, die heute noch die Gitarrenwelt bestimmen:

Leo Fender begann mit Reparaturen von Radios, Plattenspielern, Gitarren und Verstärkern und konnte mit den aufwendigen Gitarrenformen wenig anfangen, weil Reparaturen unglaublich aufwendig waren. Er gründete mit seinem Kollegen George Fullerton die Firma Fender. Zuerst fing er an, Hawai-/Steelgitarren zu bauen, die der Brettform ja heute noch am nächsten kommen, dann kam sie, die erste wirklich populäre "Nur-E-Gitarre", die in Serie ging: massiver, flacher Korpus, ein Cutaway zur besseren Bespielbarkeit der hohen Lagen, 2 Tonabnehmer für klangliche Flexibilität und ein mit 4 Schrauben befestigter Hals – die Telecaster war geboren. Damals (ca. 1950) hieß sie noch Esquire, dann Broadcaster (seltener auch NoCaster), aber mit der wachsenden Popularität des Fernsehens kam man dann auf den bis heute gültigen Namen. Wenige Jahre später kam dann die Stratocaster an den Start, sie ist im Prinzip bis heute unverändert wohl die erfolgreichste E-Gitarre aller Zeiten. Ihre extreme Vielseitigkeit und unerreichtes Design (Strats stehen sogar als Kunstwerke in modernen Museen!) haben dies zuwege gebracht.

Bei Gibson dauerte es etwas länger bis man sich an die "Bretter", die heute vielen von uns die Welt bedeuten, wagte. Schließlich hatte man ja – im Gegensatz zu Leo – in Sachen Instrumentenbau Tradition. Hier war es ein sehr begabter und experimentierfreudiger Gitarrist namens Lester Pollfuß, besser bekannt als Les Paul, welcher der Firma auf die Sprünge half. Er wünschte sich ein solides Instrument, steuerte einige Ideen bei und kassierte für die Verwendung seines populären Namens nette Tantiemen.
1952 erblickte die erste Gibson Les Paul das Licht der Welt. Man verfolgte ein deutlich anderes Konzept als Fender: Mahagony-Korpus mit gewölbter Ahorndecke, das typische "Binding", abgewinkelte Kopfplatte, verleimter Hals und als krönender Abschluss auch die Goldtoplackierung.

Ein ebenfalls wichtiger Schritt war 1957 die Entwicklung des ersten (und bis heute sehr beliebten) Humbuckers durch Seth Lover. Durch den PAF (benannt nach dem Patent-applied-for-Schildchen auf der Unterseite) gelang es erstmals, die Nebengeräusche der Single-Coils zu eliminieren. Interessanterweise war es dann genau der eher weiche und schneller zerrende Sound der Humbucker, welcher den Les Pauls 1960 beinahe den Garaus gemacht hätte. Cleane, brillante Gitarrensounds waren gefragt und so stellte man die Les Paul-Produktion kurzerhand ein, die wesentlich moderner wirkende SG wurde anfangs noch Les Paul genannt, bis sich Herr Pollfuß das verbat.
Erst als Mitte der 60er Jahre Bluesgitarristen wie Mike Bloomfield, vor allem aber Eric Clapton die Les Paul (die heute unbezahlbaren Spät-50er-Sunbursts mit PAF waren damals spottbillig) als ideale Vehikel für den modernen, rauen Bluessound entdeckten, ging es wieder bergauf – und es ist kein Ende abzusehen. Immer wenn die Les Paul durch modernere Modelle etwas in Vergessenheit zu geraten droht, kommt wieder ein Gitarrenheld, der einen neuen Boom auslöst. Zuletzt Anfang der 90er, ausgelöst durch Gary Moore und Slash.

1958 kam noch eine Neuerung: Die bis heute beliebte Semi-Acoustic, bei Gibson ES (Electric Spanish) genannt. Nicht unerwähnt bleiben sollen auch die Semi-Acoustic-Modelle der Firma Gretsch, die heute auch zu den Klassikern zählen.
Experimentellere Formen (Firebird, Explorer, Flying V) waren ihrer Zeit wohl etwas zu weit voraus und daher erst einmal eher erfolglos, dafür sind sie heute gesuchte Klassiker.

Natürlich kamen später auch noch andere Firmen und Modelle, die Neues versuchten, aber im Prinzip lassen sich doch fast alle heute populären Gitarrenmodelle auf die in den 50er Jahren entwickelten Klassiker zurückführen.

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